Das Konzept 'Interkulturelle Germanistik'
Germanistik (German Studies) gibt es heute in aller Welt, doch überall sieht man mit anderen Augen auf Deutschland und die deutschsprachigen Länder. Da die kulturellen Blickwinkel verschieden sind, sieht man auch Verschiedenes.
Diese globale Vielfalt kultureller Optik in Perspektivik und Gegenstandskonstitution wissenschaftlicher Arbeit in Forschung und Lehre zu erkennen, anzuerkennen und im wissenschaftlichen 'Gemeinschaftshandeln' (Max Weber) produktiv werden zu lassen, ist das Leitziel Interkultureller Germanistik. Ihre Begründung gehört zu den wenigen Neuentwicklungen der vergangenen Jahrzehnte, die sich weder Importen noch dem üblichen Theoriewechsel in Deutschland, sondern gemeinsamer Arbeit von Wissenschaftlern aus vielen Ländern verdanken.
Der Name Interkulturelle Germanistik ist ein Dach- und Fachbegriff. Er kennzeichnet ein Mehr, nicht ein Weniger an Germanistik: die neue Variante germanistischer Forschung und Lehre versteht sich als eine gegenwartsorientierte Wissenschaft, in der die auslandsphilologischen Fächer mit spezifischen Ergänzungsstudien zu einer regionalen Fremdkulturwissenschaft verbunden sind.
Interkulturelle Germanistik nimmt die Kultur(en)gebundenheit wissenschaftlicher Arbeit in Forschung, Lehre und Wissenschaftsorganisation ernst; sie hält die kulturelle Vielfalt der wissenschaftlichen Interessen, Fragestellungen und Annäherungsweisen nicht für einen Nachteil, sondern für einen Vorteil der Erkenntnisarbeit. Sie konstituiert sich in Forschung und Lehre als Teil interkultureller Kommunikation mit dem Ziel, im Dialog der Kulturen praktisch werden und zu Problemen vorzustoßen, die wir heute alle gemeinsam haben. Das leitende Ausbildungsziel interkultureller Germanistik ist entsprechend, Studierende zur Aufnahme von Berufen in der internationalen Zusammenarbeit zu befähigen.
Zu den wichtigsten konstitutiven Publikationen der vergangenen 25 Jahre gehören:
- Wierlacher, Alois / Bogner, Andrea (Hg.): Handbuch interkulturelle Germanistik.
Stuttgart 2003, mit einer "Bibliographie zur Konstitutionsgeschichte interkultureller Germanistik"
Diese Bibliographie versammelt Forschungsbeiträge, die für die Konzeptualisierung und Begründung interkultureller Germanistik besonders hilfreich waren. Aufgenommen wurde auch die Veröffentlichungen, auf die im Einleitungsbeitrag und in den Handbuchbeiträgen ohne nähere Angaben in den Anmerkungen oder den Literaturverzeichnissen verwiesen wird. Die Bibliographie versteht sich als Beitrag zur Verdeutlichung der Diskursentwicklung und als Vorarbeit zu einer künftigen Wissenschaftsgeschichte; die chronologische Anordnung der Titel spiegelt den langen Weg der Entwicklung des Konzepts.
- Wierlacher, Alois: Architektur interkultureller Germanistik. München 2001.
- Wierlacher, Alois (Hg.): Kulturthema Kommunikation. Konzepte, Inhalte, Funktionen. Möhnesee 2000.
- Wierlacher, Alois /Stötzel, Georg (Hg.): Blickwinkel. Kulturelle Optik und interkulturelle Gegenstandskonstitution. München 1996
- Wierlacher, Alois (Hg.): Kulturthema Toleranz. Zur Grundlegung einer interdisziplinären und interkulturellen Toleranzforschung. München 1996.
- Wierlacher, Alois/ Corinna Albrecht: Fremdgänge. Eine anthologische Fremdheitslehre. Bonn 1995
- Wierlacher, Alois: Zu Entwicklungsgeschichte und Systematik interkultureller Germanistik (1984-1994). Einige Antworten auf die Frage: Was heißt "Interkulturelle Germanistik"? In: Jahrbuch Deutsch als Fremdsprache 20 (1994), S. 37-56.
- Wierlacher, Alois (Hg.): Kulturthema Fremdheit. Leitbegriffe und Problemfelder kulturwissenschaftlicher Fremdheitsforschung. Mit einer Forschungsbibliographie von Corinna Albrecht u.a. München 1993.
- Krusche, Dietrich / Wierlacher, Alois (Hg.): Hermeneutik der Fremde. München 1990
- Wierlacher, Alois (Hg.): Perspektiven und Verfahren interkultureller Germanistik.
München 1987.
- Wierlacher, Alois (Hg.): Das Fremde und das Eigene. Prolegomena zu einer interkulturellen Germanistik. München 1985.
- Wierlacher, Alois (Hg.): Fremdsprache Deutsch. Grundlagen und Verfahren der Germanistik als Fremdsprachenphilologie. 2Bde. München 1980.
08.11.2023